Filmverführung


Der Sommer neigt sich langsam seinem Ende zu. Nicht mehr lange und die Schokoweihnachtsmänner halten wieder Einzug in die Supermarktregale…

Apropos Weihnachten:
Gehören Sie, wie ich auch, zu den Millionen Menschen in Deutschland, die jedes Jahr zur Weihnachtszeit „Die Feuerzangenbowle“ mit Heinz Rühmann schauen? Ein heiterer und vergnüglicher Film!
Was befremdlich wirkt, wenn man bedenkt, dass der Film im Januar 1944 Premiere feierte.
Goebbels hatte den Totalen Krieg ausgerufen, alliierte Bomberangriffe auf deutsche Städte gehörten zur Tagesordnung. An der Ostfront hatten die Sowjets endgültig die Initiative übernommen und nach der Landung der Amerikaner und Briten in Italien bereitete sich die Wehrmacht auf eine Invasion Frankreichs vor.
In dieser Zeit fungierte das deutsche Kino als Realitätsflucht. Es bot eine künstliche, heile Welt mit fortwährender Heiterkeit und nur gelegentlicher Melancholie. Dies verdeutlicht der Filmjournalist Rüdiger Suchsland ausgezeichnet in seiner Dokumentation „Hitlers Hollywood“.
Von den über 1000 Filmen, die im Dritten Reich entstanden, waren 50% Komödien und Musikfilme. Die andere Hälfte setzte sich aus Melodramen, Abenteuer-, Historien- und Detektivfilmen zusammen. Explizite Propagandafilme, wie „Jud Süß“ von Veit Harlan oder „Triumph des Willens“ von Leni Riefenstahl, machten nur einen kleinen Bruchteil aus.

Unterrichtsbegleitendes Schulmaterial auf www.hitlershollywood.de

Was jedoch nicht heißt, dass die anderen Produktionen frei von Propaganda gewesen wären.
Jospeh Goebbels, Reichspropagandaminister, erklärte einst, dass in dem Augenblick, indem die Propaganda dem Zuschauer bewusst würde, sie unwirksam wäre. Unterschwellig sollte sie vermittelt werden.
Im Falle von „Die Feuerzangenbowle“ kommt sie in der Gestalt des Lehrers Dr. Brett daher. Mit seinem schneidigen Auftreten, sein Anzug wirkt dabei fast wie eine Uniform, hebt er sich eindeutig von den alten, kauzigen Paukern ab. Gegen Ende des Films wird er nach seiner Lehrmethode gefragt, woraufhin er antwortet: „Junge Bäume, die wachsen wollen, muss man anbinden, dass sie schön grade wachsen, nicht nach allen Seiten ausschlagen. Und genauso ist es mit den jungen Menschen. Disziplin muss das Band sein, dass sie bindet, zu schönem graden Wachstum.“
 
Dr. Brett: „Ich habe die Klasse vor die Wahl gestellt: Krieg oder Frieden.
Sie haben sich für Frieden entschieden.“
 Filmszene „Die Feuerzangenbowle“

Besonders simpel lässt sich Propaganda mit Hilfe von historischen Filmen vermitteln.
So verkündet Otto Gebühr in seiner Paraderolle als Friedrich der Große im 1942 erschienen Monumentalfilm „Der große König“: „Deutschland ist in einer furchtbaren Krise. Wir leben in einer Epoche, die alles entscheiden und das Gesicht von Europa verändern wird.“
Natürlich ist damit nicht nur der Siebenjährige Krieg gemeint, von dem der Film handelt.
Durch Historienfilme kann man eine Welt zeigen, die sich fernab der Gegenwart befindet aber dieser eben nicht unähnlich ist. Unliebsame Fakten lassen sich dabei schnell abändern oder fallen gänzlich unter den Tisch. Die mit Preußen verbündeten Briten finden während der ganzen Handlung somit keinerlei Erwähnung.

Quelle: buchhandel.de
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Wenn dies die Filme waren, die die Massen sahen, stellt sich die Frage, welche Filme den Verführenden vorgeführt wurden.
Die Antwort bietet Peter Demetz in seinem jüngst erschienenen Buch „Diktatoren im Kino. Wer hätte gedacht, dass Hitler die moderne Kunstform anfangs als grässliches Machwerk verteufelte und sich sogar lange Zeit strikt dagegen verwehrte Tonfilmaufnahmen seiner Reden zuzulassen? Erst in den 30er Jahren begann er damit bis Kriegsbeginn fast täglich einen oder mehrere Filme zu schauen. Hierbei wurden jedoch nicht nur deutsche Produktionen gezeigt. Hitler galt als Fan von Mickey Mouse und Laurel und Hardy. Goebbels hingegen mauserte sich zum Liebhaber von „Von Winde verwehrt“, welchen er gerne privaten Gästen aber auch Filmschaffenden zur Inspiration vorführte, bis er Ende 1942 vom Führer persönlich zurechtgewiesen wurde, dass es nicht schicklich sei, dass man feindliche Filme zu Lehrzwecken zeige.






Quelle: buchhandel.de
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Dabei waren die Nazis und die Traumfabrik Hollywood wohl noch auf ganz andere Weise miteinander verbunden. In „Der Pakt – Hollywoods Geschäfte mit Hitler“ legt der US-Historiker Ben Urwand dar, dass sich die amerikanischen Filmstudios in den 30er Jahren mit dem NS-Regime arrangierten, um keine Einbußen im wichtigen, deutschen Absatzmarkt hinzunehmen. Es kam zu Zensuren und Entlassungen. Antideutsche oder regimekritische Filme waren tabu, von einer Thematisierung der Judenverfolgung ganz zu schweigen. Das Buch sorgte in den USA für einen Aufschrei und kontroverse Diskussionen, zeigt aber eine Geschäftspraxis auf, die auch heute noch aktuell ist. Oder haben sie schon mal eine Hollywood-Produktion über den chinesischen Diktator Mao oder den blutig niedergeschlagenen Aufstand von 1989 gesehen? Potenzielle 1,4 Mrd. Konsumenten möchte man eben nicht verlieren.





Wir lassen uns vom Kino gerne in eine andere Welt entführen. Aber wir müssen darauf achten, nicht an der Nase herumgeführt zu werden.

                                                                                                                             SeSa

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