"Konkurrenz für Panem und Potter? Durchaus!"*

Früher habe ich sehr viele Jugendbücher gelesen, besonders die mehrteiligen Fantasy-Reihen habe ich geliebt. Nach einer Weile hatte ich jedoch das Gefühl immer wieder die gleiche Geschichte zu lesen. Die Bücher ähnelten sich alle zu sehr, sodass ich dieses Genre letztendlich ganz beiseite legte.
Als mir dann vor kurzem die Reihe "Die Spiegelreisende" der französischen Autorin Christelle Dabos empfohlen wurde, war ich entsprechend skeptisch. Ich habe es dann trotzdem gewagt, da mir die Cover-Illustration sehr gut gefiel. (Auch wenn das vielleicht nicht der beste Grund ist, ein Buch zu lesen.) Sie stach aus der Masse heraus und ich hoffte einfach, dass das auch für den Inhalt gelten würde.
Und tatsächlich wurde ich nicht enttäuscht. Innerhalb kürzester Zeit hatte ich die vier 500-600 Seiten starken Wälzer durchgelesen und war ganz enttäuscht, dass es nicht noch ein Buch geben wird.

Bilder: Suhrkamp

Aber worum geht es überhaupt:
Die Welt, wie wir sie kennen, wurde vor langer Zeit durch den Riss zerstört. Geblieben sind sogenannte Archen, Überreste der Welt, die frei in der Luft schweben. Jede Arche wird von einem Familiengeist geführt, dem Urahn aller dort lebenden Menschen, die je nach Arche über verschiedene Kräfte verfügen. Auf einer davon lebt Ophelia, eine ruhige und tollpatschige junge Frau, die aber über ganz besondere Gaben verfügt. Sie kann durch Spiegel reisen und bei Berührung die Geschichte von Gegenständen lesen. Ophelias beschauliches Leben im Familienarchiv wird jäh beendet als sie auf eine andere Arche geschickt wird, um dort den Adligen Thorn zu heiraten, einen schroffen, wortkargen Mann, dem Zahlen über alles gehen und der an der Heirat mit Ophelia genauso wenig Interesse zu haben scheint wie sie. Am Hofe des Mondscheinpalasts wird Ophelia in die Intrigen der rivalisierenden Klans hineingezogen, die jeder mit ihrer eigenen gefährlichen Gabe um die Gunst ihres Familiengeistes buhlen. Wie soll sich Ophelia in dieser Welt voller Illusionen und Geheimnisse zurecht finden und wem kann sie wirklich trauen?

Teil 4 der Reihe, "Im Sturm der Echos", stand erst kürzlich in den Top 20 der Spiegel-Bestseller-Liste und Teil 1, "Die Verlobten des Winters", ist sogar für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2020 nominiert. Die Jury sagt: "Dieser Fantasy-Roman [...] ist ideenreich und frei von Vorbildern, sodass man in eine faszinierende, unbekannte Welt voller überraschender Wendungen und ausgefallener Figuren eintaucht." (Quelle: jugendliteratur.org)

Genau dieses "frei von Vorbildern" macht für mich die größte Stärke der Reihe aus. Christelle Dabos hat hier wirklich unvergessliche Charaktere und eine vollkommen neue Welt geschaffen, die man gar nicht mehr verlassen möchte. 
Große Leseempfehlung, auch für alle von uns, die eigentlich nicht mehr zu der klassischen Zielgruppe von Jugendbüchern zählen!

LH

Warum wir Bücher lieben

An unserem Arbeitsort, der Bibliothek, sind wir ständig von neuen Büchern/Medien umgeben.
Welch‘ ein Luxus mag der eine oder andere denken. Gerade in dieser schwierigen Zeit, in der unsere persönlichen Freiheiten eingeschränkt sind, gewinnt das Lesen erfreulicherweise für viele Menschen wieder zunehmend an Bedeutung.

Wenn wir Bücher lesen, können wir dem Alltag entfliehen, in fremde Biographien, Länder und Kulturen eintauchen. Sie lassen uns teilhaben an Schicksalen, bringen uns im besten Falle zum Lachen oder auch zum Weinen. Gute Bücher sollten uns in irgendeiner Art und Weise „berühren“, unser Leben bereichern, neue Horizonte eröffnen, zum Nachdenken anregen und auch ein bisschen glücklich machen. Aus der Menge an Neuerscheinungen, die jedes Jahr in Deutschland veröffentlicht werden, es sind ca. 14.000 Erstauflagen allein in der Belletristik (Quelle: Börsenverein des Deutschen Buchhandels), die besten, interessantesten und lesenswertesten Titel auszuwählen gehört zu den ständigen Herausforderungen in unserem Berufsalltag.

Gerade fiel mir das Buch „Warum wir Bücher lieben“ von Friedel Bott in die Hände. Das Buch bietet einen interessanten Einblick in die Bücherregale bekannter Persönlichkeiten aus Politik und Unterhaltung,  u. a. Jürgen von der Lippe, Karen Duve, Norbert Blüm, Wolfgang Niedecken, Nina George, Mechthild Großmann, Bettina Tietjen. Sie alle nennen ihre Lieblingsbücher bzw. Bücher, die ihnen wichtig waren oder sind. Und so entdeckt man neben Klassikern und aktuellen Titeln eben auch Bücher, die nicht ganz so bekannt sind, diese Menschen dennoch stark beeindruckt oder ein Leben lang begleitet haben.


                                                                       Bild: edelbooks.de

Weitere Titel, in denen Sie Orientierung und Anregungen finden können:

Der Lesebegleiter : eine Entdeckungsreise durch die Welt der Bücher 
Matratzendesaster : Literatur und Sex
Leseglück : 99 Bücher, die gute Laune machen
Schecks Kanon : die 100 wichtigsten Werke der Weltliteratur
Dittrich, Petra: Meine Inselbuchhandlung 

P. S. … und hier noch ein paar persönliche Empfehlungen:


                                                                                                                                                      AH

Ich bleibe dann mal zu Hause...

...es war alles perfekt, die Flüge gebucht, das Auto gemietet, der Roadtrip geplant, die Vorfreude groß und dann wurde alles abgesagt. Ich sehe ein, dass die Maßnahmen auch zu meinem Schutz erfolgen. Trotzdem bin ich traurig, weil niemand sagen kann, wann und ob ich diese Reise überhaupt einmal machen kann.

Bild: Privat
Bild: Privat

Die neuen Reiseziele heißen jetzt Balkonien, Terrassien oder Gardenien. Da kann man eigentlich nicht viel falsch machen. Also werde ich meinen Sommerurlaub  ebenfalls zu Hause verbringen. Sie merken schon, so richtig euphorisch klingt das nicht. Das Zelt in mein Auto zu laden, ist keine Alternative, weil sich mein Lieblingszeltplatz in Schweden befindet. Auf eine eventuelle Quarantäne bei meiner Rückkehr habe ich keine Lust.

Ich werde also meine Umgebung neu entdecken. Am Wochenende wurden schon einmal  die Fahrräder kontrolliert. Das Haus und der Garten sind in Schuss, so komme ich nicht in Versuchung aufzuräumen und zu putzen. Alle Sachen liegen sauber im Schrank. Es werden keine dienstlichen Mails gelesen. Es liegen einige Bücher und Zeitschriften bereit. Die Wettervorhersage sagt, ich kann einfach mal im Liegestuhl liegen. Vielleicht finde ich ja schon ein paar Pilze. Bei schlechtem Wetter können die Urlaubsbilder aus den letzten Jahren mal gesichtet werden. Es wird schon nicht langweilig werden. 

Vielleicht gefällt mir die Entschleunigung ja sogar...

H. K.



Nachts ...

Bild: Fischer Verlag
Gerade habe ich in der Zentralbibliothek Literatur zum Thema „Mit uns durch die Nacht …“ zusammengestellt.
Es gibt eine Vielzahl von Titeln über Schlaf, Träumen und Traumdeutung, Nachtfotografie usw. Aber kaum Bücher über die, die arbeiten, damit wir nachts schlafen, feiern, essen oder um Hilfe rufen können. Dann fiel mir der neue Roman „Arbeit“ von Thorsten Nagelschmidt in die Hände. Und das war mein Buch! 
Der Roman begleitet seine Hauptfiguren (Taxifahrer, zwei Drogendealer, Fahrradkurierin, Notfallsanitäterin, Schüler, Spätiverkäuferin, Polizistin, Hostel-Vizechef, Pfandsammlerin, Türsteher, Stadtreinigunsangestellte) durch eine Nacht im März in der Partymetropole Berlin.
Der Autor hat seine Figuren vorher lange und intensiv studiert, sie begleitet oder ist selbst nachts arbeiten gegangen. Er schafft es, den Menschen, die man häufig übersieht oder sogar vergisst, ein Gesicht zu geben. Und wir sollen hinsehen.
Thorsten Nagelschmidt war bis 2009 Sänger, Texter und Gitarrist der Band Muff Potter und veröffentlichte mit „Arbeit“ sein inzwischen 5. Buch. Er wollte der weichgespülten Literaturwelt etwas polarisierendes und aufwühlendes entgegensetzen. Das ist ihm gelungen. Unbedingt lesen. 


Einblick in das Leben von Ingrid, der Flaschensammlerin, gelesen vom Autor:


 Thorsten Nagelschmidt liest am 16.9.2020 im Literaturhaus Rostock    
BB