Nähe und Distanz

Die Neurowissenschaftlerin Rebecca Böhme ist Assistenzprofessorin am Zentrum für soziale und affektive Neurowissenschaft im schwedischen Linköping.


Bild: Ch. Beck-Verlag

Gerade ist ihr Buch „Human touch: warum körperliche Nähe so wichtig ist“ erschienen. Die Wissenschaft der menschlichen Berührungen ist jung und das Thema menschliche Nähe und Distanz wird gerade viel diskutiert. Nicht nur Kinder wachsen durch Streicheleinheiten besser. Das Bedürfnis nach Berührung begleitet uns ein Leben lang. Die soziale Natur des Menschen versichert sich der eigenen Existenz durch die physische Nähe zu anderen.

Sozialpsychologisch werden 4 Arten von Distanz unterschieden:
  1. die intime Distanz zwischen einander sehr nahe stehenden vertrauten Personen (Familie, Freunde), die sehr eng und gefühlsbetont ist
  2. die persönliche Distanz im Alltags- und Berufsleben, die zwischen 0,50cm und 1,20m variiert
  3. die soziale Distanz (z.B. zwischen Gruppenmitgliedern) liegt zwischen 1,20m und 2,70m
  4. die öffentliche Distanz (z.B. auf der Straße) liegt bei einer Entfernung zwischen 2,5m bis 4m.
In Deutschland leben wir eher distanziert voneinander. Wir lernen von Kindesbeinen an, dass Abstand halten respektvoll ist. Die meisten Menschen aber sind Kontaktwesen und brauchen Nähe und Berührung zum Überleben. Wer berührt wird, lebt länger, ist ausgeglichener und erholt sich schneller von Krankheiten. Durch die Ausschüttung von Oxytocin werden Stresshormone abgebaut, Ängste vermindert und das Immunsystem gestärkt.

Die Therapeutin Virginia Satir hat herausgefunden: "Wir brauchen 4 Umarmungen pro Tag zum Überleben, 8 Umarmungen pro Tag, um uns gut zu fühlen, und 12 Umarmungen pro Tag zum innerlichen Wachsen.”
Zum Nachdenken 1: 
Erst in der Distanz zu anderen ist die eigene Individualität spürbar. Also ist auch Abgrenzung notwendig, um sich gegen die ständigen Einflüsse von außen zu wehren.

Zum Nachdenken 2:
 

Körperliche Berührung muss nicht immer wohltuend sein. Nähe und Übergriffigkeit können nahe beieinander liegen.

Zum Nachdenken 3:
 

Wie verändert sich unser Nähe-Distanz-Verhältnis durch die Corona-Krise? Was passiert langfristig mit unserem Bedürfnis nach Berührung und sozialer Nähe?


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Bild: Dharma Comics


BB

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