Beobachtungen aus der letzten Reihe

Zu meinen absoluten Lieblingsautoren zählt der britische Autor Neil Gaiman. Zugegeben, er ist etwas speziell. Aber sein untrügliches, fantastische Gespür für skurrile Begebenheiten, fasziniert mich an ihm.
Wo sonst findet man einen Piraten, der auf Frauenkleider steht (wie beim Sternwanderer) oder erkennt, dass sich in einem Ententeich ein ganzer Ozean verstecken kann ("Der Ozean am Ende der Straße"), um nur zwei Beispiele zu nennen?
Daniel Kehlmann bezeichnete das letztgenannte Buch übrigens "als poetisches Juwel, wie man es nicht oft zu lesen bekommt".

Bild: Neil Gaiman

Es gibt Autoren, die schreiben Geschichten.
Es gibt Autoren, die schreiben gute Geschichten.
Und es gibt Autoren, die schreiben Geschichten, die sie selbst gern lesen würden.

Ich finde, dass die letzte Art von Autoren, die Beste ist, denn sie schreiben keine Geschichten aufgrund von Trends oder anderen (äußerlichen) Faktoren, sondern aus eigenem Antrieb und vor allem, weil sie selbst an ihre Geschichte glauben.
Neil Gaiman gehört für mich absolut zur letzten Sorte von Autoren.

Man muss sich allerdings auf seine Art von Geschichten einlassen können. Das ist nichts für schwache Nerven. Ich finde es toll, dass man bei ihm zum Nachdenken angeregt wird. Wie zum Beispiel bei "American Gods", wo er unter anderem der Frage nachgeht, was eigentlich mit alten Göttern passiert, wenn man nicht mehr an sie glaubt oder nur noch ein bisschen an sie glaubt. Natürlich unter der Prämisse, dass der Glaube von Menschen auch Macht besitzt. Sie wissen schon, wie bei diesem alten Sprichwort, dass der Glaube Berge versetzt.
Nicht zuletzt verehre ich Gaiman für seinen trockenen Humor, den er gekonnt in seine Bücher einfließen lässt sowie seine kunstvoll inszenierte Situationskomik (Beispiele hierfür finden Sie in all seinen Werken).

Falls Ihnen diese Art von Geschichten aber absolut nicht zusagt, möchte ich Ihnen dennoch ein Buch von ihm ans Herz legen:
Mit seinen "Beobachtungen aus der letzten Reihe" beweist Gaiman, dass er eindeutig zu den "Guten" gehört. Dieses Buch ist eine Zusammenstellung aus seinen Reden, Essays und Einführungen, welche sich allesamt um Geschichten, das Lesen oder berühmte Persönlichkeiten oder Lebensbegleiter von Gaiman dreht:

Bild: Eichborn Verlag


Warum Lesen uns zu besseren Menschen macht - Ein Einblick in die Gedanken des Bestsellerautors ...

Neil Gaiman gehört zu den großen Erzählern unserer Zeit. Seit seiner Kindheit sind Geschichten für ihn Zufluchtsorte und lebensnotwendig. In dieser Sammlung von Artikeln, Essays und Reden beschäftigt sich Gaiman mit Literatur, dem Schreiben, der Kunst und Fantasie. Er spricht über Autoren und Werke, die für ihn prägend waren und geblieben sind, über die Rolle des Lesens und wie es uns zur Empathie und Meinungsbildung befähigt.

(Verlagstext)


Gerade in der heutigen Zeit, wo wir jeden Tag feststellen, wie wichtig die Fähigkeit ist, richtig Lesen zu können und vor allem das sinnentnehmende Lesen zu beherrschen, ist es schön, dass es Menschen gibt, die sich mit diesem Umstand intensiv auseinandersetzen.
Falls ich Gaiman nicht schon mit seinen Geschichten verfallen wäre, so wäre ich ihm auf jeden Fall bei seinem Vortrag "Warum unsere Zukunft von Büchereien, Lesen und Tagträumen abhängt", verfallen. Hier betont er nochmal eindringlich, wie wichtig das Lesen (und nebenbei auch Bibliotheken) für die Entwicklung von Kindern ist:

"Der einfachste Weg, gebildete Kinder heranzuziehen, ist, ihnen das Lesen beizubringen und ihnen zu zeigen, dass Lesen Spaß macht. Und das heißt schlicht, Bücher zu finden, die ihnen gefallen, ihnen Zugang zu diesen Büchern zu verschaffen und sie dann einfach lesen zu lassen."

Das Gleiche gilt natürlich auch für uns Erwachsene und bei uns finden Sie mit Sicherheit die Bücher, die Ihnen Spaß machen.

KB

PS: Laut einer aktuellen Studie können knapp ein Fünftel der Zehnjährigen in Deutschland nicht so lesen, dass der Text dabei auch verstanden wird. Um auf diesen alarmierenden Zustand hinzuweisen, hat die erfolgreiche Kinderbuchautorin Kirsten Boie eine Petition gestartet: "Jedes Kind muss lesen lernen"
Ziel dieser Petition ist es, dass sich Politiker auf allen Ebenen mit dieser Tatsache beschäftigen und konkrete Lösungsvorschläge erarbeiten. Je mehr Menschen unterzeichnen, umso besser.
Ich habe bereits unterzeichnet. Sie auch?

PPS: Gute Nachrichten für alle Gaiman-Fans: Das Buch "Ein gutes Omen", welches Neil Gaiman gemeinsam mit Terry Pratchett geschrieben hat, wird derzeit als Serie verfilmt und könnte wohl nächstes Jahr erscheinen...

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