Reformation auf Plattdeutsch

Im vergangenen Jahr konnte das Rostocker Publikum die Uraufführung des Stückes „Leben und Sterben des Kaplans Joachim Slüter zu Rostock“ von Holger Teschke in und um das Kloster zum Heiligen Kreuz erleben.(Eintrag im Spielplan des Volkstheater Rostock)  Und auch, wenn das Reformations- und Lutherjahr hinter uns liegt und ganz Rostock im 800er-Taumel, wollen wir den Text noch einmal lebendig werden lassen.


Das Stück stellt die herausragende Persönlichkeit der Reformationsbewegung Rostocks, den Pfarrer von St. Petri, Joachim Slüter in den Fokus. 

Es erzählt vom Leben des 1490 geborenen Geistlichen, der als erster Pfarrer in Rostock nicht mehr in lateinischer Sprache, sondern auf Niederdeutsch predigte und Zeit seines Lebens die reformatorischen Ideen Martin Luthers vertrat. Die Uraufführung vor der imposanten Kulisse des Klosters zeichnete im Reformationsjahr 2017 in einem dramatischen Bilderbogen die Ereignisse der Rostocker Reformation zwischen 1523 und 1549 nach und thematisiert Joachim Slüters religiös-philosophischen Einfluss bis in die Gegenwart.

Der Text entstand im Auftrag des Volkstheaters Rostock. Nun kehrt er als Vor-Lesung mit vielen Rollen und Musik noch einmal zurück nach Rostock.

Holger Teschke, geboren 1958 in Bergen auf Rügen fuhr als Maschinist auf Fischereikuttern zur See, bevor er Schauspielregie in Berlin studierte, wo er anschließend als Dramaturg und Autor arbeitete. Von 2000 bis 2010 war er als Regisseur und Regielehrer in den USA, Australien und Südostasien unterwegs, seit 2010 ist er Dozent für Theatergeschichte und Dramaturgie. Holger Teschkes letztes Buch, „Gebrauchsanweisung für Rügen und Hiddensee“, erschien 2013.

Quelle: Berlin, Matthes & Seitz
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Quelle: Piper Verlag
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Gunnar Decker im Gespräch mit Holger Teschke zu "Leben und Sterben des Kaplans Joachim Slüter zu Rostock" – Auszüge

Gunnar Decker: … der Name des Rostocker Kaplans zu St. Petri Joachim Slüter, der ab 1517 in Rostock lebte und dort auch 1532 starb, war mir bislang völlig unbekannt. Wie ging es Ihnen, wie begegneten Sie Slüter?

Holger Teschke: Ich wusste nur, dass Slüter auf Plattdeutsch gepredigt hatte und dass es ein Gerücht gab, er sei wegen seiner radikalen Predigten vergiftet worden. 2015 kam das Angebot vom Volkstheater Rostock, ein Stück über Slüter und den Beginn der Reformation in Mecklenburg zu machen. Das war der Anstoß, mich intensiver mit ihm zu beschäftigen.

G.D. Auf welches Material konnten Sie zurückgreifen?
H.T. Die Theologen der Rostocker Universität haben mich bei der Arbeit von Anfang an sehr unterstützt. Es gibt in Rostock eine bedeutende Slüter-Spezialistin, Dr. Sabine Pettke, die viel über ihn geforscht und mir ihre Aufsätze geschickt hat. Auch Dr. Karsten Schröder vom Stadtarchiv machte mir viele Quellen aus der Zeit zugänglich, darunter eine "Historie über Leben und Lehren Slüters" von Nikolaus Gryse von 1593. Da bekam die Figur eine Gestalt jenseits der Legenden und es zeigte sich, wie verstrickt Slüter in die politischen und ökonomischen Kämpfe seiner Zeit war. Dieser Konflikt hat mich besonders interessiert, weil sie Slüter als Figur im großen Spiel der Macht zwischen den Herzögen, der Hanse und der Kirche zeigen.

G.D. Wie reagierte Luther auf jemanden wie Slüter?
H.T. Slüter war ihm unheimlich, ein Schwärmer, der ihn an Thomas Müntzer erinnerte. Er predigte den Armen in ihrer Sprache und forderte nicht nur eine neue Kirche, sondern auch soziale Gerechtigkeit. Als Luther das zu Ohren kam, riet er dem Rostocker Rat, Slüter umgehend aus der Stadt zu jagen.

G.D. Die Dialoge zwischen Bugenhagen und Slüter sind unerhört aktuell - und wenn man 500 Jahre Reformation feiert, dann sollte man auch deutlich machen, was man darunter versteht …
H.T. Das ist der entscheidende Punkt. Slüter predigte im Freien, weil er so viel Zulauf hatte, dass die Menschen nicht mehr in der Kirche von St. Petri Platz fanden. Und er predigte auf Plattdeutsch, damit ihn die einfachen Leute, die nicht nur kein Latein, sondern auch kein Hochdeutsch konnten, verstanden. Er brachte ein plattdeutsches Gesangsbuch heraus, in dem nicht nur Verse von Luther, sondern auch von Müntzer vorkommen, was ziemlich mutig war. Dabei verehrte Slüter Luther auch noch nach 1525 und wollte ihm in vielem nacheifern. So heiratete er 1528 und seine Braut hieß wie die von Luther, nämlich Katharina. Luther gefiel solcherart naive Glaubens-unbedingtheit überhaupt nicht.

G.D. Nun geht es nicht nur um einen Kaplan, der darum kämpft auf plattdeutsch zu predigen und geistliche Lieder zu singen, sondern auch im Stück selbst wird an nicht wenigen Stellen plattdeutsch gesprochen. Versteht man das noch in Rostock?
H.T. Das will ich hoffen. Ich selbst bin zweisprachig aufgewachsen und spreche mit meiner Mutter immer noch platt. Wichtig war mir vor allem der Gestus des Plattdeutschen, sein Humor und sein Realismus. Brecht spricht von der Direktheit des Dialekts und Plattdeutsch transportiert auf poetische Weise die Erfahrung der unteren Klassen durch die Jahrhunderte. Darin ist auch Slüters Sprache aufgehoben und es ging mir darum, ihr in diesem Jahr wieder eine Bühne zu geben. …

Das gesamte Interview erschien in „Theater der Zeit“, Ausgabe 06/2017

Eintritt: € 5
Karten unter: Tel.: 381 2840, stadtbibliothek@rostock.de oder direkt in der Hauptstelle, Kröpeliner Str. 82.

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