Auch dieses Mal lauschten die Zuhörerinnen und Zuhörer wieder gespannt, welche Bücher es in den letzten 3 Monaten auf den Nachttischen der Vortragenden geschafft hatten:
Bentow, Max: Rabenland
Nils Trojan, von dem es schon so einige Bände gibt als Kriminalkommissar, ermittelt hier zusammen mit der Kriminalpsychologin Carlotta Weiß im 2. gemeinsamen Fall. 
Bild: Goldmann
Ein Jahr lang galt Lilly als vermisst, als sie eines Tages verletzt vor dem Eingang eines Krankenhauses abgelegt wird, ist ihre Erinnerung verschwunden und ihr Geist ist labil. In den Wäldern, in denen das Mädchen sich scheinbar aufgehalten hat, werden nicht nur merkwürdige lebensgroße Puppen entdeckt, sondern auch etliche Tierkadaver. Alle Hinweise führen zu einem Ornithologen, dessen Hauptaugenmerk auf die Kommunikation von Raben gerichtet ist. Aber handelt es sich tatsächlich um eine Entführung? Oder führten ganz andere Umstände zu Lillys Verschwinden? Zum einen beherrscht der Autor das Handwerk des spannenden Erzählens. Sein Schreibstil ist einfach, dynamisch, integriert kurze Absätze, wechselhafte Sätze und punktgenaue Dialoge in kurzen Kapiteln. Zum anderen baut Bentow gezielt mysteriöse Elemente in die Handlung, um die Leserinnen und Leser rätseln und schaudern zu lassen. Raben in einem wilden einsamen Wald. Tierkadaver. Puppen mit unheimlichen Köpfen. Und ein mehr als auffälliges Verhalten der mitwirkenden Personen. Gleichzeitig ist der Rahmen gut gespannt. Der Fall wird von dem Ermittlerduo Carlotta und Nils bearbeitet. Obwohl immer wieder kurz auf die Charaktere eingegangen wird, überlädt der Autor nicht mit deren Problemen, sondern bleibt bei Andeutungen. „Rabenland" ist einer jener Thriller, die Lust aufs Genre machen. Max Bentow zeigt, dass Spannung auch ohne Gewaltorgie funktioniert. Daher eine uneingeschränkte Leseempfehlung von mir.
Hammesfahr, Petra: Der Fall Leni Bauer
Heiko Geerts arbeitet als Kriminaltechniker im Großraum Köln, als er 8 Jahre war wurden er und sein kleiner Bruder Winnie Zeugen eines Tankstellenüberfalls, bei dem die Tankstellenbesitzerin, Maria Bauer verletzt wurde und an den Verletzungen starb. Leni Bauer, die kleine Enkeltochter verschwindet einen Tag später, sie wartete nach dem Kindergarten auf ihren Opa vor der Tankstelle und Heiko sagte ihr, der ist wahrscheinlich im Krankenhaus bei der Oma, so fährt sie nach Hause mit ihrem Kinderrad und ist seitdem spurlos verschwunden. 
Bild: Saga Egmont
Zeitlebens machte sich Heiko darüber einen Kopf, dass er eine Mitschuld hatte, dass die kleine Leni auf dem Heimweg entführt und vielleichte ermordet wurde. Dieser nie geklärte Cold Case bildet den Ausgangspunkt für einen aktuellen Fall, 30 Jahre später, als Wilma und Kurt Dresen in ihrem Haus ermordet werden und Frank Anschütz auf vollem Bahnhof mit einem Messer erstochen werden sollte, das an seinem Handy in der Innentasche der Jacke abrutscht, er wird nur schwer verletzt. Sowohl die Dresens, als auch der Frank Anschütz waren Zeigen in dem Tankstellenfall vor 30 Jahren. Als nun auch Toni, der Stiefvater von Heiko, dem heutigen Kriminaltechniker bei der Kripo, der damals 8 Jahre war und mit dem Stiefvater Toni zur Polizei fuhr, der unterschrieb für ihn und im Protokoll stand, spurlos verschwunden ist, kommt Bewegung in die Sache von vor 30 Jahren in Verbindung zur aktuellen Zeit.
Hier ermitteln erstmals der ehemalige Kommissar in den Hammesfahrbüchern Kriminalkommissar Grovian. Im Fall Doppelmord Dresen und Mordversuch an Frank Anschütz jetzt ermittelt Kommissar Klinkhammer. Grovian ist bereits in Pension, dennoch erinnert er sich, weil Heiko auf ihn zukommt und gemeinsam mit Klinkhammer klären sie einen verzwickten Fall, der vor 30 Jahren seinen Anfang nahm.
Der sehr komplexe Fall, wird aus wechselnden Perspektiven und Zeitebenen erzählt. Der Beginn ist etwas zäh, es braucht ein wenig Geduld, doch dann bleibt das Stück bis zum letzten Satz spannend.
Wolf, Klaus-Peter: Der Weihnachtsmannkiller 3
Nach dem Weihnachtsmannkiller 1 und 2 nun pünktlich vor Weihnachten erschien Weihnachtsmannkiller 3. Am 19.11.2025 war ich zur Lesung des Autors in Wismar. Dort berichtete er, wie er überhaupt dazu kam, diese Weihnachtsmannkiller Geschichte zu erzählen, eigentlich kommen seine Ann-Kathrin Klaasen Ostfriesenkrimis immer Ende Januar raus, doch weil der Autor Zuschriften bekam, nie kann man eins seiner neuen Bücher Weihnachten verschenken, kam er auf die Idee mal einen Weihnachtskrimi zu schreiben. 
Bild: Fischer Sauerländer
Worum geht es? Tobias Henner hasst Weihnachten, wenn andere schmücken und basteln, beginnt seine schwerste Zeit. Der weihnachtliche Geruch auf den Märkten, die Lichter und vor allem die Musik, bringen ihn fast in den Wahnsinn. Er erstellt einen Adventskalender, nach dem er die Männer, die Weihnachtsmänner spielten, das ganze Folgejahr über beobachtete, die verlangten Bravheit von den Kindern und waren selbst unmoralisch und hielten sich nie an Sitten und Normen. Sein Adventskalender ist eher eine Todesliste. Leider kann er diese nicht ganz abarbeiten, da Ann-Kathrin Klaasen das Team der Ostfriesenkrimis ihn überführt und verhaftet.
Im Weihnachtsmannkiller 2 gelingt ihm die Flucht aus der Psychiatrie, ausgerechnet auf einem Weihnachtsmarkt, den er als Gruppe mit anderen Patienten und aus Therapiegründen in Begleitung besuchen soll. Auf die Toilette wird man nicht begleitet, ein Aufpasser steht aber vor dem Klo Wagen, nun kommt gerade in dem Moment ein Weihnachtsmann auch auf die Toilette und es kommt auch ein Weihnachtsmann wieder raus, doch das ist Tobias Henner, der sich das Kostüm anzog und der den Weihnachtsmann spielte liegt tot im Klo. So beginnt im Teil 2 erneut die Jagd nach dem Weihnachtsmannkiller. Er flieht mit einem Schiff, das geht unter, Wrackteile schwimmen rum, die Leiche wird nicht gefunden, doch hält man Tobias für tot.
Und das ist er nicht, er lebt, er kann nicht ohne Meer, weiß aber, dass er in Ostfriesland und an der Nordsee gesucht wird, also versteckt er sich in Wismar. Deshalb fand auch die einzige Lesung in unserem Umfeld in Wismar statt, denn dort beginnt die Geschichte des 3. Teiles…
Lippe, Jürgen von der: SEXTEXTSEXTETT
In dem Buch eine Zusammenstellung von siebzig Kurzgeschichten. Genau richtig für eine kleine Lesepause.
Ich bin ein großer Freund der Unterscheidung zwischen Sie und Du. Wenn jemand auf der Straße ruft: »Äh Jürjen, wie jeht et dich?«, dann lasse ich das durchgehen, denn die Person hat dringendere Sprachprobleme. Aber wenn mir beim Radio so ein hipper Moderator sagt: »Hi Jürgen, ich bin der Stulle, ist es ok, wenn wir uns duzen?«, dann sage ich: »Negativ, Herr Stulle. Ich habe Socken, die älter sind als Sie, also warten Sie bitte ab, bis ich Ihnen das Du anbiete, vielleicht in ein paar Jahren, wenn Sie dann im Heim mein Pfleger sind.«
Bild: Penguin
Was tun gegen Nerv-Deutsch und Dauer-Geduze? Wie macht man eigentlich achtsam Schluss? Und was steht beim Sextextsextett auf dem Programm?
Neue Geschichten und Glossen vom großen alten Mann der Zwerchfellerschütterung.
(Verlagstext)
Graf, Lisa: Lindt & Sprüngli – Zwei Familien eine Leidenschaft
Die unvergessliche Familiensaga rund um die weltberühmten Schweizer Chocolatiersfamilien Sprüngli & Lindt
Zürich 1826: Voller Verzweiflung bringt der kleine Rudolf Sprüngli seiner Mutter eine Tafel Schokolade ans Krankenbett. Sein letztes Taschengeld und all seine Hoffnung legt er in dieses kleine Mysterium, das sich Schokolade nennt. Wie durch ein Wunder wird sein Wunsch erhört und seine Mutter wieder gesund. Ab diesem Tag ist für Rudolf klar, dass er Schokolade herstellen möchte.
Graf, Lisa: Lindt & Sprüngli – Zwei Rivalen ein Traum
Bern 1863: Kurz bevor die Räder einer Kutsche den kleinen Rudolf Lindt auf dem Marktplatz erfassen, wird er von einem bildhübschen Blumenmädchen gerettet. Von diesem Augenblick an ist klar: Der Junge Lindt hat überlebt, um Großes zu vollbringen! Doch nicht so wie es seine Familie wünscht. Der Sohn eines Apothekers wird zum Schulabbrecher und stürzt sich in das Abenteuer. In Bern eröffnet er schließlich eine Schokoladenfabrik und schafft etwas Einzigartiges, das ihm einen Platz in den Geschichtsbüchern sichert: Der Junge, der einst eine herbe Enttäuschung für seine Familie war, revolutioniert die Schokoladenherstellung. 
Bild: Penguin
Illies, Florian: Wenn die Sonne untergeht
Da ist er wieder. Wie es sich gehört, kommt alle zwei bis drei Jahre ein neuer Illies auf den Büchermarkt. In den letzten Jahren war der Autor sogar noch fleißiger als sonst, musste doch noch zwischendrin das Caspar David Friedrich Jubiläum abgearbeitet werden. 
Bild: Fischer Sauerländer
Der aktuelle Band reist nun mit den prominenten Exilanten der ersten Stunde an die südfranzösische Küste. Sanary, damals noch ohne „sur-mer“, liegt an der Küste zwischen Nizza und Marseille, mehr hin nach Nizza, in der Nähe von Toulon. Hier treffen sie sich merkwürdigerweise alle, in diesem Kaff. Die komplette Familie Mann, Thomas und Katia, dazu gelegentliche Groß- oder Schwiegereltern, alle sechs Kinder in verschiedenen Konstellationen, Bruder Heinrich, entweder allein oder mit relevanten Damen, später dann mit seiner festen Partnerin Nelly, als der eine spektakuläre Flucht aus Berlin gelingt, das Ehepaar Feuchtwanger, das Ehepaar Huxley, Ludwig Marcuse und, und, und …. Dort sind sie fast alle immer mal wieder an einem Ort. Die von den Nazis Gejagten, Gesuchten und im März 1933 Verbrannten.
Lothar Müller fragt in der Süddeutschen Zeitung vom 22.10.2025: „Ist das noch Geschichtsschreibung oder doch schon reine Fiktion?“ Anders formuliert und lösungsorientiert gedacht, einigen wir uns auf den Terminus „romantische Sachliteratur“.
Die Sache beginnt wie das ganze Unheil seinen Anfang nimmt. Schon vor der so genannten Machtergreifung im Januar 1933 ist das Land in Aufregung. Besonders den meisten der so genannten Linksintellektuellen wird bei dem Gedanken an die Zukunft Angst und Bange. Den einen zumindest. Die anderen sind überzeugt, dass der braune Spuk so schnell gehen wird wie er gerade kommt. Keine Aufregung, was stört’s die deutsche Eiche, wenn sich das Warzenschwein an ihr schubbert. Die Manns lassen die Koffer packen. Es geht auf Vortragsreise, mit seinem Leib- und Magenthema im Gepäck: Richard Wagner. Die Reise misslingt. Die großen Kinder, Klaus und Erika, machen Druck. Die Eltern sollen in die Schweiz fahren und nicht zurückkommen. Nur Tage später tritt der Bruder Heinrich, getarnt als Fußgänger, über die deutsch-französische Grenze. Nach und nach erfolgt der Exodus der Familie, von den „Urgreisen“, gemeint sind die Großeltern Pringsheim, bis zum Jüngsten, Michael Thomas Mann, genannt „Bibi“.
Nun zoomt uns Florian Illies ganz nah heran. Was sich in den ersten Wochen noch wie Urlaub anfühlt, bekommt bald einen schalen Beigeschmack. So schön die Nähe zu den anderen Exilanten manchmal ist, in der Regel gehen sie einem doch gehörig auf die Nerven. Darüber kann man sich später bei den Manns am Tisch ganz herrlich austauschen, und diese dann auch trefflich parodieren.
Thomas, der Dichterkönig, ist aus dem Lot. Der eisern getimte Tagesrhythmus kann oft nicht eingehalten werden. Er kann nicht schlafen. Er kann nicht schreiben. Sein großes Werk „Joseph und seine Brüder“ liegt in Teilen fertig, aber unangerührt, obwohl das Urmanuskript unter Mühen und Risiko aus Deutschland heraus transportiert wurde. Sein Verleger, Samuel Fischer, spielt geschickt auf der Klaviatur zwischen wirtschaftlichem Erfolg und dem Versprechen, das der Vater seinem Sohn Klaus gegeben hat. Der „Joseph“ soll im Amsterdam’schen Verlag Querido erscheinen, dort, wo auch Klaus‘ politische Zeitschrift „Die Sammlung“ erscheinen wird.
Der Nobelpreisträger schreibt Briefe und Tagebuch. Klaus und Erika sind unentwegt quer durch Europa unterwegs, machen Kontakte, planen Aktionen. Erika als Kabarettistin, Klaus als Journalist und Herausgeber. „Der Zauberer“ kann sich nicht zu einem klaren Wort gegen die Nazis entschließen. Da muss erst der halbe Kontinent in Trümmern liegen, bevor dies passiert. Viele, bereits bekannte Dinge, erwähnt Illies und zieht diese wie Perlen auf seine erzählerische Schnüre. Und doch finden wir in diesem Mosaik manchmal noch ein neues Wissen, aber ganz bestimmt eine Bestätigung aus dem Tumult der Gefühle. Die jeweils älteren Kinder erscheinen mit kleinen Konversationskärtchen, die sie dezent neben das Besteck klemmen, bei Tisch. Der Vater erwartet auch in diesen durchgeschüttelten Umständen eine gepflegte Konversation bei Tisch. Jahre- und Jahrzehntelang haben die Kinder, vor allem Golo und das Mönchen regelrecht Angst vor diesen Mahlzeiten. Monika schlüpft dann hinterher in die Küche, um die Mahlzeit nachzuholen.
Diese Familie sei eine "Kältekammer", schreibt Illies. "Es ist doch eine wirklich erlauchte Versammlung, aber einen Knacks hat jeder", so hat Thomas Mann seine Familie in einem Brief an seinen Sohn Klaus beschrieben.
Ein Weihnachtsgeschenk, dessen man sich nicht schämen muss.
Specht, Heike: Die Frau der Stunde (demnächst in ihrer Bibliothek)
Nach der Leseprobe hatte ich die Hoffnung, ich bekäme so etwas wie die Romane von Brigitte Glaser „Rheinblick“, „Kaiserstuhl“ oder „Bühlerhöhe“. Die habe ich geliebt und geradezu verschlungen. Mit „Die Frau der Stunde“ habe ich gelernt, wie sehr sich Bücher, deren große Themen gleich oder ähnlich sind, dann im Endeffekt unterscheiden. Nicht in „gut“ und „weniger gut“ sondern in „anders“. 
Bild: Droemer
„Die Frau der Stunde“ spielt in den späten 1970er Jahren in Bonn, in der Bundesrepublik Deutschland. Die Protagonistin ist Catharina Cornelius, eine liberale Politikerin, die sich nicht an die gesellschaftlichen und politischen Konventionen der Zeit anpassen will. Sie hat einen Kreis von Freundinnen, mit denen sie genüsslich die Regeln bricht, sie raucht, trinkt Gin Tonic, setzt auf Freundschaften (Seilschaften?) und kämpft sich gegen männliche Dominanz in Politik und Öffentlichkeit durch. Unerwartet wird sie Außenministerin und Vizekanzlerin.
Und es war etwas los auf der Welt in dieser Zeit. Durch die Frauenrechtsbewegung, Machtverhältnisse und große weltpolitische Ereignisse wie etwa die Islamische Revolution im Iran – wird ihr deutlich, dass Macht und Sichtbarkeit ihren Preis haben.
Die historische Situation wirkt lebendig und stimmig, gut recherchiert so weit ich das beurteilen kann. Bonn, die alten politischen Strukturen, die gesellschaftlichen Erwartungen, die Intrige, das Patriarchat, die Genderrollen. Gerade diese sind sehr gut und manchmal aus unserer heutigen Sicht auch bitter-süß und lustig in Szene gesetzt. Jeder und jede, wirklich jeder und jede in diesem Buch raucht und trinkt Alkohol. Im Büro, bei Beratungen …. Undenkbar heute und umso bemerkenswerter.
Und obwohl Themen wie „Feminismus“ etc. gar nicht meine sind, wird mir beim Lesen vom Kopf, aber auch vom Bauch her, nochmal deutlich, was sich in den letzten 50 Jahren in unserem Leben zum Thema „Frauenrechte“ weiterentwickelt hat. Im Buch sind die Damen in der Regel die Schmuckstücke der Herren, Anhängsel und „Damenprogramm“ eben.
Auf diesem Motivteppich verstehen wir die Frauenpowerausnahmen und Catharina besser, und gleichzeitig empfinde ich die Figuren manchmal als etwas drüber. Sie werden zu ihren eigenen Abziehbildern. Da zieht die Autorin gerade noch rechtzeitig die Notbremse. Vielleicht werde ich auch noch eines ihrer vielen anderen Bücher, dazu regt die „Frau der Stunde“ wirklich an.
AS|US|MB
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