Nur noch Retorte...

Selbst kleinste Dinge mögen den Verlauf der Geschichte ändern.
Sei es ein Hobbit mit einem Ring oder der Soundeffekt eines Kinofilms.

Wir schreiben das Jahr 2009. Das neue Meisterwerk von Christopher Nolan, "Inception", ist am Horizont zu erkennen und da passiert es: die Kinosäle werden in der Trailer-Vorschau erstmals akustisch mit dem "Inception Horn" geflutet.
Sie kennen das "Inception Horn" nicht? I doubt it... oder... Top, die Wette gilt!
Rufen Sie diese Seite auf und lassen Sie es dröhnen! Lautsprecher natürlich vorher aufdrehen, versteht sich...

22 Mal donnert der unverkennbare Basssound im Hintergrund des ersten Inception-Trailers und tausende Male danach haben wir ihn in dutzenden anderen Trailern gehört. Selbst das englische Wikipedia widmet dem Soundeffekt unter dem Titel "BRAAAM" eine eigene Seite.

Aber nicht nur die Trailer, auch die Filmsoundtracks der 2010er Jahre sollten sich damit ändern: "from a moment when the average blockbuster soundtrack sounded like Richard Wagner, to a moment when the average blockbuster soundtrack sounds like, well, BRAAAM." (Adrian Daub, Longreads)

Doch alles hat irgendwann ein Ende... Und so erfreuen sich seit einigen Jahren die Songs vergangener Jahrzehnte als Remixe höchster Beliebtheit bei Trailern und Soundtracks. Willkommen auf der Retrowelle!

Der coole "Blue Monday"-Remix für den Trailer zum zweiten Wonder Woman Film 2020 ergab wenigstens Sinn, denn immerhin spielte der Film im Jahr 1984. Genauso basieren die Soundtrack-Playlisten der "Guardians of the Galaxy"-Filme auf den "Awesome-Mixtapes" des Walkman tragenden Protagonisten Starlord.
Doch bei anderen Filmen wirken die Songs nur lieblos drangeklatscht.

Normalerweise bin ich kein Fan von "Früher war alles besser", aber in diesem Fall sehne ich mich zurück nach den Zeiten, in denen es auf den Film einstimmende Overtüren gab, wie bei "Robin Hood - König der Diebe" (1991), "Rob Roy" (1995), "Königreich der Himmel - Directors Cut" (2006) oder "The Hateful 8" (2016). Als Action-Thriller keine generische elektronische Suspense-Beschallung von sich gaben, sondern entweder die Handlung mit Lokalkolorit unterstrichen wurde, wie die Irish-Folk beeinflussten "Stunde der Patrioten" (1992) und "Vertrauter Feind" (1997), oder man den/die Protagonisten mit einem eigens komponierten Song stimmig in Szene setzte ala "Beverly Hills Cop" (1984) mit "Axel F" oder "Top Gun" (1986) mit "Danger Zone".

Überhaupt: Filmsongs, die erst zum Ende/Abspann gespielt werden und einen weiter an den Kinositz fesseln! "My heart will go on" - "Titanic" (1997), "May it be" - "Herr der Ringe" (2001), "Lose Yourself" - "8 Mile" (2002), "Now we are free" - "Gladiator" (2000), "All for Love" - "Die drei Musketiere" (1993).
Stattdessen warten wir heutzutage wie ein dressierter Pawlowscher Hund auf eine belanglose Post-Credit-Scene.

Ich hoffe, es werden bald wieder bessere Zeiten für die Filmmusik anbrechen.
SeSa

Unseren ausleihbaren Bestand an Filmmusik finden Sie im Katalog unter TM 350.

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