12 Juni 2024

Neues aus dem Lesecafé in Groß Klein

In der letzten Woche (am 05. Juni 2024) fand das dritte Lesecafé in diesem Jahr in unserer Stadtteilbibliothek in Groß Klein statt.

Auch dieses Mal wurde wieder eine interessante Mischung zusammengetragen, die wir Ihnen an dieser Stelle gern vorstellen möchten:



Bayer, Thommie: Das Glück meiner Mutter

Bild: Piper
Der Schriftsteller Phillip Dorn lebt allein in Nürnberg. Nachdem ihn seine Frau vor einiger Zeit verlassen hat und seine Mutter verstorben ist, sind seine nächsten Bezugspersonen seine Nachbarin und deren Sohn.
Nach Fertigstellung zweier Manuskripte belohnt sich Philipp Dorn mit einem neuen Auto und einer Reise nach Italien. Und wir fahren mit. Über die Autobahn, vorbei am Gardasee und Verona in ein kleines toskanisches Ferienhaus in Camaiore. Wir machen mit ihm Tagesausflüge nach Florenz und Lucca und lernen mit ihm seine Vermieterin des Ferienhauses kennen. Während all dessen erfahren wir in dieser Ich-Erzählung durch seine Gedanken und Gespräche viel über die Beziehung zu seiner Mutter, seine Reisen mit ihr, Fakten über ihr Leben, ihr Aussehen, ihre Sehnsüchte und Träume und ihren Tod. Es ist eine Art Aufarbeitung mit seiner Vergangenheit in herrlicher Urlaubsatmosphäre.

Besonders schön, wie immer bei Thommie Bayer: die Sprache!

Liest man die Autorenbeschreibung, fallen einem die vielen Parallelen zwischen dem Buch und seinem eigenen Lebenslauf auf. Nur das Ende ist hoffentlich fiktional.

Wer mehr von Tommie Bayer lesen möchte, dem kann ich noch „Sieben Tage Sommer“ empfehlen, das stellte ich auch schon vor, es ist auch sehr gut, wunderschöne Sprache und auf eine stille Weise spannend.



Jakob, Elisa: Die Mutter der Berggorillas : Dian Fossey - Sie lernte ihre Sprache, sie wurde ihre Vertraute, sie riskierte alles für ihr Überleben


Bild: Piper

Elisa Jakob widmet ihren Roman der weltberühmten Verhaltensforscherin, die das Leben der Berggorillas in der Wildnis, beobachtete und dokumentierte. In der Geschichte wird das Hauptaugenmerk auf die Anfangsjahre der Arbeit von Dian Fossey gelegt. 1967 hat die Forscherin im Grenzgebiet zwischen Kongo, Ruanda und Uganda ihren berühmten Camp Karisoke gegründet. Mit einer Intensität, wie nur begnadete Forscher auf den Tag legen können, nimmt Dian Fossey am Leben der Gorillas teil. Sie ist keine bloße Beobachterin, sondern eine aktive Gestalterin der Kommunikation zwischen Tier und Mensch. Ihr Weg ist alles andere als einfach. Es gab Gewalt, Anschläge, Schwierigkeiten mit Behörden und einheimischen Bevölkerung, doch nichts brachte die Forscherin davon ab, ihrem Traum und ihrer Berufung zielstrebig und unnachgiebig nachzugehen.

Die Mutter der Berggorillas’ ist sehr spannend geschrieben und lässt den Leser in die Welt von Dian Fossey und den Gorillas abtauchen. Erfolge, Risiken und Rückschläge sind Teil ihrer Forschung und werden gut hervorgehoben. Für Abwechslung sorgen ihre Reisen in ihre Heimat sowie nach Cambridge, wo sie ihren Doktortitel macht. Der Leser kann Dian so in unterschiedlichen Situationen erleben.

Ein spannendes Buch über eine starke Frau die nur eines im Kopf hat: den Schutz ihrer Gorillas.



Monteil, Claudine: Marie Curie und ihre Töchter (Romanbiografie)

Bild: Insel Verlag
Claudine Monteil ist eine französische Frauenrechtlerin, Historikerin und ehemalige Diplomatin. Bereits 2016 verfasste sie eine Biografie über Ève Curie. Jetzt bindet sie das vielleicht am wenigsten bekannte Mitglied der Curies in eine Romanbiografie über die weltweit bekannte Familie ein. Diese Biografie ist anders, da sie einmal nicht nur die Wissenschaftlerin Marie Curie betrachtet, sondern auch die Ehefrau und Mutter.

Nach dem tragischen Unfalltod des Mannes und Vaters Pierre Curies konzentriert sich die Autorin auf die familiäre Seite der Geschichte und zeigt die Probleme Marie Curies, die, wie wahrscheinlich viele alleinerziehende Mütter, zwischen Arbeit und Kinder pendeln muss. Richtig spannend wird es, wenn Monteil die Lebenswege der beiden Frauen nach dem Tod der Mutter betrachtet. Während Irène, als Wissenschaftlerin und ebenfalls Nobelpreisträgerin, die bekanntere Person sein dürfte, ist das Leben von Ève Curie leider weitgehend unbekannt. Doch es war nicht weniger spannend, auch Ève war erfolgreich, ihren größten Erfolg feiert sie 1937 mit der Biographie über ihre Mutter: Madame Curie. Das Werk avanciert schnell zum Bestseller. Durch die Übersetzung der Biographie in über 30 Sprachen erlangt Eve internationale Bekanntheit: Außerdem dient das Werk über ihre Mutter 1943 als Vorlage für den gleichnamigen Hollywood-Film.

Irène stirbt schon mit 58 Jahren an einer Leukämie, die wahrscheinlich durch ihre Arbeit bedingt wurde. Ève aber wird 102 Jahre alt und wird als einziges Familienmitglied nicht in Frankreich, sondern in den USA bestattet.



Stangl, Gabriele: Herzenskinder : die Gründerin der ersten Klinik-Babyklappe erzählt von abgegebenen Kindern, Müttern in Not und geschenkter Zukunft

Bild: Adeo Verlag
Gabriele Stangl ist eine warmherzige und tatkräftige Frau, die unzähligen Frauen und Familien in großer Not geholfen hat. Als Seelsorgerin in der Klinik Waldfriede in Berlin-Zehlendorf hat sie schwangere Frauen begleitet, die keine Unterstützung oder Fürsorge hatten, die verzweifelt und völlig auf sich allein gestellt waren. Und die sie zuvor abweisen musste.

Ich las von den Schicksalen der Kinder, die Gabriele Stangl entgegen vieler Widerstände von Behörden und Politik in Obhut geben und begleiten konnte. Wie haben die Kinder von ihrer Herkunft, von ihrer Bauchmama erfahren? Und wie hat dies ihr Leben geprägt, bei ihrer späteren Familie und ihren Herzmamas?

Das Buch ist kein Sachbuch und kein Roman. Es ist das Leben, in allen seinen Facetten. Es war nicht einen Moment langweilig oder langatmig.
Bei mir kamen schon mit den ersten Seiten immer wieder ein paar Tränen. Jedoch selten nur aus Trauer und Schmerz, sondern oft aus Freude. Freude über eine Lösung. Freude über Menschen denen das kleine Leben nicht egal ist. Die Geschichten von denen hier erzählt wird, sind oft hart und traurig. Doch trotzdem ist eigentlich so gut wie immer Hoffnung dabei. Verstört hat mich, wie viel Widerstand es gegen die Babyklappe gab und das im Jahr 2000! Die Argumente sind ein Armutszeugnis unserer Gesellschaft und ich bin so froh, dass Gabriele Stangl weitergekämpft hat und sie Kraft und Motivation nie verlor. Ein wertvolles und wichtiges Buch.



Wolf, Klaus-Peter: Ostfriesenhass

Bild: Fischer Verlag
„Ostfriesenhass" ist der nunmehr achtzehnte Fall für Ann Kathrin Klaasen und ihr Team. Die Geschichte startet gewohnt schnell. Der Schreibstil von Klaus-Peter Wolf ist flüssig, man ist sofort im Geschehen und findet sich in einem spannenden und zugleich etwas skurrilem Fall wieder. Der Autor hat es hervorragend verstanden, mehrere scheinbar unabhängige Handlungen für den Leser als jede für sich zu beschreiben und zu betrachten. Ein Serienmörder, der die Menschheit „retten“ muss, treibt sein Unwesen in Norden / Ostfriesland. Kurz nacheinander werden zwei Schwestern, die in Norden eine Ferienwohnung hatten, auf furchtbare Weise ermordet. Ein weiteres Opfer ist ein rüstiger Rentner. Wie stehen diese Morde in Zusammenhang? Ein erfahrenes Team aus den Kommissaren Ann Kathrin Klaasen und Frank Weller und den Kommissaren Rupert und Jessi beginnen die Ermittlungen aufzunehmen.

Uns als Leser ist der Serienmörder zeitig bekannt, was aber der Spannung nicht abträglich ist. Etwas skurril, dass es jetzt um Außerirdische gehen könnte. Was ist jetzt Forschung und was sind Fake-Meldungen? Wahnsinn wie schnell sich Menschen von vermeintlich glaubhaften wahren Aussagen in den sozialen Medien beeinflussen lassen. An Ann Kathrin Klaasen mag ich die brillante Verhörstrategie, die Klarheit und ihr Einfühlungsvermögen. Der Polizeibeamte Rupert hat eine etwas außergewöhnliche Art mit Menschen umzugehen, etwas ruppich, laut aber auch mit Witz. Der Aufbau des Kriminalromans hat mich fasziniert, weil ich als Leser die Hauptakteure begleiten konnte.

Hartmann, Jörg: Der Lärm des Lebens

Bild: Rowohlt
Ja, es ist DER, - DER Jörg Hartmann. Der „Faber“, der gebrochene Rowdy, das Polizisten Großmaul aus dem Dortmunder Tatort, der hier zur Feder gegriffen hat. Ein großer Schauspieler, jahrelang Mitglied des Ensembles der Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin, in den vergangenen 15 Jahren kamen immer mehr große Rollen und Auszeichnungen in Film und Fernsehen.



In Abwandlung der bekannten Redewendung „Jetzt singt er auch noch“, könnte man nun befürchten „Jetzt schreibt er auch noch“. Ein Gedanke, der uns manchmal bei der Lektüre schreibender Mimen durchzuckt. Wir erinnern uns: Samuel Finzi, Franka Potente, Christian Berkel nebst Gattin, Axel Milberg, Joachim Meyerhoff, Ulrich Tukur, Matthias Brandt und viele andere mehr. Manches geht gar nicht, manches ist interessant und vollkommen okay, wenn es um die eigene Biographie, den eigenen Werdegang geht, nur die wenigsten finden einen eigenen literarischen Stil und Ton.

In «Der Lärm des Lebens» erzählt Jörg Hartmann seine Geschichte und die seiner Eltern und Großeltern. Dabei wechseln gekonnt die Zeitebenen. Er schildert das Sterben und den Tod seines eigenen Vaters und die damit verbundenen Erinnerungen an die Familie zum einen, zum anderen die jeweils eigene Gegenwart, vom Schauspielschüler zum Schauspieler, vom jungen Mann zum Partner und Familienvater. Eine kräftige Prise Ruhrpott ist immer dabei. Auch eine große Prise Sentimentalität, die gerade zum Ende des Textes hin doch zum Überborden neigt. Sehr lesenswert, auf mindestens 200 von 250 Seiten.

Wer mehr wissen möchte, schaut gern bei diesem Interview zum Buch vorbei: rowohlt.de/magazin/im-gespraech/interview-hartmann

 

Köhlmeier, Michael: Das Philosophenschiff

Bild: Hanser
Ein eher mittelmäßiger Schriftsteller wird zur Feier des 100. Geburtstages einer weltberühmten Architektin eingeladen. Er soll dort eine Geschichte erzählen, die er bei anderer Gelegenheit schon einmal vorgetragen hat, und die der Jubilarin gefallen hat. Dumm nur, dass er diese Geschichte in großen Stücken frei erfunden hat und sich beim besten Willen nicht mehr erinnert. Im Laufe des Abend stellt sich jedoch heraus, dass Anouk Perleman-Jacob einen ganz anderen Auftrag für den Ich-Erzähler hat.

 

 

 

 

 

Frage: "Gab es das Philosophenschiff wirklich?"

Köhlmeier: "Ja. Die Philosophenschiffe gab es wirklich. Sie wurden auch so genannt. Das Schiff in meiner Geschichte, ein Luxusdampfer für 2000 Passagiere, auf dem sich gerade einmal zehn Personen befinden, das habe ich mir ausgedacht." (Quelle: freitag.de, 28.01.2024)

 

Das nächste Lesecafé findet am Mittwoch, den 04. September 2024 um 15:00 Uhr in unserer Stadtteilbibliothek in Groß Klein statt.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

AS & MB

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